Warum lesen wir? Zum Sinn und Zweck von Literatur

Zur Einführung des Unterrichtsformates materialgestütztes Schreiben hat sich die Q1 d 07 (Rogowski) die Aufgabe gestellt, einen Vortragstext zur festlichen Eröffnung des Welttages des Buches für die eigene Schule zu schreiben. Dieser wurde im Unterricht vorgetragen.

Warum lesen wir? Zum Sinn und Zweck von Literatur

Liebe Schulgemeinde und vor allem liebe Schriftsteller, die heute freundlicherweise erschienen sind. Heute ist der Welttag des Buches, der Anlass für unsere Lesewoche. Es ist mir eine Ehre dafür auch die Bedeutung des Lesens und der Bücher zu erklären, vor allem in unserer sich heute immer weiter digitalisierenden Welt.

Wir alle haben schon mal ein Buch gelesen. Manchen macht dies sehr viel Spaß und sie lesen ein Buch nach dem anderen, manche finden daran wenig Gefallen, aber ich bin sicher, die meisten von uns haben schon mal ein Buch gelesen, das uns total mitgerissen hat, welches man nicht aufhören kann zu lesen. Dieses Gefühl ist der Reiz, der das Lesen ausmacht. Man taucht in fremde Welten ein, man entwickelt diese im Kopf immer weiter oder um Jean Paul Sartre zu zitieren: „Lesen ist gelenktes Schaffen.“ (M5)

Trotz alledem lesen nur sechs Prozent der Deutschen abends ein Buch, anstatt fernzusehen (M6) und nur etwa die Hälfte der Jugendlichen liest einmal die Woche ein Buch laut einer JIM-Studie (Jugend, Information, Multi-Media) aus dem Jahr 2015.Woran liegt das? So genau kann man das nicht sagen, aber natürlich liegt es an den neuen medialen Unterhaltungs-möglichkeiten wie das Internet oder Filme, bei denen die Aufmerksamkeit weniger groß sein muss. Meiner Meinung nach sollte uns diese Entwicklung beunruhigen, weshalb wir unter anderem auch unsere Lesewoche veranstalten und ich werde euch nun auch erklären, warum.

Woran denkt ihr beispielsweise bei der Jugendstrafe? Sozialstunden? Eine Geldstrafe? Oder sogar Gefängnis? Wie wäre es damit ein Buch zu lesen? Das macht der Fuldaer Jugendrichter Christoph Mangelsdorf in einigen Fällen (M1) und es funktioniert sehr gut. Während eine normale Strafe ihr Ziel oft nicht erreicht, bringen Bücher einen dazu über sich selbst und sein Leben nachzudenken, was einem bei der Resozialisierung helfen kann. Jedes Buch hat seine eigene Geschichte und seine eigene Aussage, aber trotz alledem erkennt man als Leser immer wieder Parallelen zum eigenen Leben. Die Autorin Ulla Hahn beschreibt das folgendermaßen: „Jeder Leser, der eine gute Geschichte liest, schreibt sich im Grunde eine neue hinzu: Je mehr er in die fremde Geschichte hinein geht, desto näher kommt er seiner eigenen.“ (M5) Bücher können uns also in unserem eigenen Leben weiterhelfen, denn man lernt durch sie sich und andere besser kennen.

Bisher habe ich nun mehr über das Lesen bei Jugendlichen gesprochen, aber was ist eigentlich mit den Kindern? In einem Interview mit dem Abendblatt erklärt die Erziehungs-wissenschaftlerin Maryanne Wolf von der Tufts University in Boston die Wirkung des Lesens auf das kindliche Gehirn. (M2) Beim Lesen von Büchern verknüpft das Gehirn Nervenzellen miteinander wenn wir die wahrgenommenen Sachverhalte verarbeiten. Das stärkt unser Vorstellungsvermögen, aber auch unsere sprachlichen Fähigkeiten. Jetzt fragen sich sicher einige von euch, ob dasselbe nicht auch bei normalen Gesprächen mit anderen Leuten oder beim Lesen von Texten im Internet passiert? Tatsächlich macht das Gehirn das während-dessen auch, aber dadurch, dass die Gespräche und Texte meist oberflächlicher und kürzer als ein langer, detailliert geschriebener Roman ist, passiert die Verknüpfung der verschiedenen Nervenzellen nicht im selben Ausmaß. Das Ganze passiert natürlich auch bei Erwachsenen, aber bei Kindern sind diese Prozesse wesentlich wichtiger, denn sie haben langfristigere Auswirkungen auf die spätere Entwicklung des Kindes, aber, wie bereits schon erwähnt, auch auf seine emotionale Reife. Desto mehr man als Kind also liest, desto besser ist das spätere Verhalten und desto intelligenter ist man auch. Deshalb ist es so wichtig, dass das Lesen bei Kindern gefördert wird, wie zum Beispiel bei unserer aktuellen Lesewoche.

Betrachtet man unsere Gesellschaft, erkennt man, dass Lesen, vermutlich unter anderem wegen der bereits erwähnten Gründe, ein besonders hohes Ansehen hat, vor allem im Vergleich zu anderen Aktivitäten wie Fernsehen oder Computerspielen. Woran liegt das? Der Journalist Ulrich Greiner erklärt es damit, dass Lesen wie eine Flucht aus der Realität in eine Scheinwelt ist, welche fast jeder bei den verschiedenen Problemen unserer Gesellschaft nachvollziehen kann. (M3) Zwar passiert das auch bei anderen Medien, aber bei Büchern passiert es tatsächlich in einem vergleichsweise großen Ausmaß.

Mittlerweile sollte also eigentlich jedem von euch die Bedeutung des Lesens klar geworden sein und so manch einer wäre geneigt einfach zu sagen: „Leute, ihr müsst mehr lesen!“, aber ist das die Lösung? Nein, findet die Autorin Iris Radisch. Lesen kann man nicht befehlen. (M6) Vielmehr sei es wichtig, dass die Menschen von selbst merken, wie unverzichtbar Lesen für unser Leben und unsere Kultur ist. Literatur bringt uns weiter und für sie gibt es auch keine anderen Alternativen. So ähnlich sieht es auch die Autorin Christa Wolf. Sie sagt: „Ich ohne Bücher bin nicht ich.“ (M5)

Jetzt haben ich ganz schön viel über das Lesen geredet, aber zum Abschluss würde ich euch ganz gerne noch ein Bild von Quint Buchholz (M7) beschreiben, welches meiner Meinung nach die Wirkung des Lesens sehr gut beschreibt. Auf dem Bild sieht man einen Mann, der auf einem Bücherstapel steht, der so groß ist, dass der Mann auf die Stadt, in welcher der Bücherstapel steht, herunterschauen kann. Das Bild zeigt, dass Lesen von Büchern die eigene Perspektive erweitert und man viele Dinge besser begreift, so dass man quasi auf die Sachverhalte von oben herab schauen kann.

Ich hoffe ich konnte euch mit dieser Begrüßung motivieren die vor uns liegende Lesewoche möglichst viel zu nutzen, denn das ist das Ziel der Lesewoche unseres Kurses, denn jeder sollte an den Vorteilen des Lesens teilhaben. Vielen Dank!

(Tobias Debler, 31.01.22)