Bericht über den Zeitzeugenbesuch

Ihre beeindruckende und für uns unvorstellbare Geschichte, erzählte uns die 91-jährige Germaine Shafran, geb. Helga-Inge, am Mittwoch, den 5. Mai 2014. Die 1923 in Berlin geborene Jüdin floh 1933 im Alter von zehn Jahren mit ihren wohlhabenden Eltern nach Paris, nachdem in Deutschland erste Anzeichen des Judenhasses aufgetreten waren.

Besonders bewegt haben uns auch ihre anfänglichen Schwierigkeiten in Frankreich. Denn direkt nach ihrer Ankunft in Frankreich wurde das von nun an Germaine Shafran heißende Mädchen für lange Zeit krank. Da sie zu ihrer Einschulung in Frankreich die dortige Sprache immer noch nicht beherrschte, wurde sie zunächst in eine andere Klasse verwiesen. Die heute 91-jährige war jedoch sehr fleißig und lernte mit viel Ehrgeiz innerhalb von drei Monaten Französisch, bis sie es schließlich sogar zur Klassenbesten schaffte.

Als 1941 der Zweite Weltkrieg ausbricht und England und Frankreich Deutschland den Krieg erklären, wurde der Vater, der damals sechzehn Jahre alten Germaine, schwer krank in ein Krankenhaus gebracht. Besonders getroffen und bestürtzt hat uns der überraschende Tod der Mutter  durch einen Gasunfall, während der Vater immer noch im Kranknehaus lag. Es war für uns Schüler und Schülerinnen der 9. Klassen unvorstellbar, wie das junge Mädchen, damals in unserem Alter, von da an ihre Leben und das Schicksal ihres kranken Vaters selber in die Hand nahm, ohne wirkliche Unterstützung von Familie und Freunden.

Dennoch wird Germaine Shafran 1940 in ein Internierungslager für Frauen, und ihr Vater in eines für Männer gebracht, da die Franzosen damals, in allen Deutschen Spione sahen.

Obwohl Germaine von ihrem Vater getrennt war und niemanden hatte, setzte sie in ihren jungen Jahren alles daran, einen Entlassungschein für sich und ihren Vater zu erlangen. Der Vater war ein bekannter Filmregisseur und hatte noch einige entfernte Verwandte in Amerika, und schließlich konnte die Flucht dorthin organisiert werden.

Heute lebt die 91-jährige in Deutschland, bei uns in Wiesbaden. Um Schülern klar zu machen, wie wichtig Respekt und Toleranz vor anderen Menschen und Religionen ist, besucht sie verschiedene Schulen in Wiesbaden und spricht

gemeinsam mit Schülern über ihre bewegende Geschichte.

So wie auch mit uns, an der Theodor-Fliedner-Schule. Außerdem schrieb Germaine Shafran ein Buch, über ihr Leben, mit dem Titel „Never say die!“, was soviel heißt wie „Gib niemals auf“ .

Gib niemals auf, das hat sie vermutlich jedem von uns vermitteln können. Auch wenn wir uns kaum vorstellen können, wie das Leben in ihrer Jugend war, ihre Geschichte hat wahrscheinlich jeden von uns nachdenklich gestimmt und berührt, und alle haben ihr bei der Veranstaltung aufmerksam zugehört und mit ihr diskutiert.

(Julia und Charlotte, 9d)